Das Verhältnis von Betrieb und Pädagogik wird in vorhandenen Theorieangeboten höchst unterschiedlich ausgedeutet. Diese Theorieangebote entstammen verschiedenen Disziplinen (etwa Betriebswirtschaftslehre, Pädagogik). Zugleich sind die konkurrierenden Theorien in den jeweiligen Disziplinen durch grundlegende, unterschiedliche Perspektiven (Handlungs- und Beobachtungsperspektiven) geprägt.
Die Theorien, welche einer Handlungsperspektive folgen und Betriebspädagogiken im engeren Sinne sowie managementtheoretische Legitimationen beinhalten, erweisen sich als problematisch, da sie die gesellschaftliche und institutionelle Ebene ausklammern. Ebenso erweisen sich die Theorien, die sich durch eine Beobachtungsperspektive auszeichnen als fragwürdig, da sie das konkrete Handeln eher auslassen und somit keine differenzierten Aussagen über die konkreten Aufgaben der handelnden Akteure beisteuern. Beide Perspektiven führen, neben ihren je eigenen Vorteilen und Stärken, auch zu Engführungen bzw. spezifischen Limitationen (Monoperspektivität).
In Untersuchungen wurde deutlich, dass eine Gegenstandsbestimmung aus vorliegenden Theorien und Theorieperspektiven aus dem Bereich der Wissenschaft in vielfältiger Weise erfolgt. Somit ist eine Theoriepluralität zu konstatieren. Dies hat zur Folge, dass die Bestimmung des Gegenstandes von Pädagogik im Betrieb stark von den in Anschlag gebrachten Theorien abhängig ist und diese maßgeblich zur Konstituierung von Pädagogik im Betrieb und auch der Betriebspädagogik beitragen. Diese Perspektiven der Theoriebildung zu Pädagogik im Betrieb sind hinsichtlich ihres systematisierten Kategorienapparats zu differenzieren und zu vergleichend. Und zwar in
- ihrem Verständnis des institutionellen Kontextes Betrieb
- ihren primären Fragestellungen und Grundannahmen
- ihrer Relevanz für die pädagogische Praxis im Betrieb,
um theoretische Perspektiven einerseits zu rekonstruieren und andererseits auf ihre Brauchbarkeit für eine Gegenstandsbestimmung der praktischen Pädagogik im institutionellen Kontext Betrieb hin zu ordnen.
Die theoretischen Ergebnisse und die empirischen Befunde legen nahe, sich einer Meta-Differenzierung zu befleißigen, indem eine Theoriediskussion zwischen den verschiedenen Perspektiven der Theoriebildung eröffnet wird, mit dem Potential, über eine theoretische Reorganisation zur Selbstverständigung hinsichtlich der Gegenstandsbestimmung von Pädagogik im Betrieb beizutragen. Dies ist leistbar über ein wechselseitiges in Beziehung setzen, was man als relationalen Zugang verstehen kann. Diese relationierende Perspektive eröffnet einerseits eine Ergänzung und Vervollständigung und bietet andererseits Freiraum, um die Valenz unterschiedlicher Theorievariationen angemessen zu würdigen. Im Zugang einer relationierenden Perspektive ist das gesamte Spektrum der Perspektiven der Theoriebildung zu Pädagogik im Betrieb in das Repertoire im Sinne eines common ground aufzunehmen und dies schließt innerdisziplinäre und außerdisziplinäre Theorievariationen in einer komplementär-ergänzenden sowie kompensatorisch-kritischen Weise ein. Dies adressiert sich an alle wissenschaftlichen Akteure, die sich mit Pädagogik im Betrieb beschäftigen.
Denn auch hier gilt: Ein Beharren auf Divergenz führt einerseits in eine Unauflöslichkeit von Antinomien und die Annahme der Konvergenz stellt in ganz anderer Art und Weise einen analytischen Trugschluss dar, der nämlich darin besteht, dass die Konvergenzvermutung letztendlich zu einer Beendigung der Theoriediskussion führt, weil ein wechselseitiges in Beziehung setzen dann nicht mehr möglich ist, denn der Bezugspunkt wird aufgelöst: Gerade der relationierende Zugang eröffnet einen konzeptionellen Bezugspunkt, als theoretischen Zwischenort, der das wechselseitige in Beziehung setzen rekurrent einfordert.
© Martin Schwarz, 2023