Im Sommersemester 2021 gestalteten wir einen virtuellen Seminarraum (sog. virtuel coworking space) und probierten das online-Konferenztool gather.town aus. Konkret haben wir einen größeren Seminarraum sowie einen Vorraum und einen Gartenbereich als virtuelles Areal nachgebaut, in welchen Studierende über personalisierten Zugang mit einem Avatar eintreten können.

Hochschuldidaktisch wertvoll erweist sich, dass man nach Eintritt mit der Pfeiltaste auf der Tastatur seinen Avatar steuern kann und bspw. mit anderen anwesenden Personen in unmittelbare Nähe in Interaktion treten kann. Durch Hervorhebung der Fläche, auf der man steht, ist erkennbar mit wem ich in unmittelbarer Nähe privat bzw. geschützt ins Gespräch gehen könnte. Und nur zu diesen Personen bzw. unter diesen Personen öffnet sich sodann ein eigener Video- und Audiochat.

Im Sommersemester haben wir den virtuellen Seminarraum im Kontext der Lehrveranstaltung „Von der Arbeitsanalyse zur Planung beruflicher Bildung“ (Berufspädagogik) eingesetzt, genauer gesagt als Ausstellungsfläche im Stile eines Marktplatzes für Projektgruppenergebnisse, welche auf Postern in eigenen Projektgruppenarealen platziert wurden. So konnten Teilnehmer von einem Projektgruppenstand zu einem anderen Projektgruppenstand wandern und sich die Ergebnisse anschauen – durch Vergrößerung von hinterlegten Fotopostern – und mit der Projektgruppe an der Posterwand  – im geschützten Raum – ins Gespräch kommen und diskutieren. So konnte jeder Projektgruppenstand individuell besucht werden und man wurde nicht gestört durch andere Kommunikationsofferten, was in einem realen Seminarraum (mit bspw. Metaplanwänden in den Eckbereichen) nie so ganz zu vermeiden ist.

In einem Vorraum und einem Gartenbereich sind zudem mehrere Kaffeetische und eine größere Chill Out Lounge eingebaut, welche immer bis zu vier Personen einen eigenen Rückzugsraum bieten, um mit dem eigenen Avatar via Video-/Audiochat mit anderen ins Gespräch treten zu können. Auch ein Lagerfeuer mit auditiv hörbaren Brenngeräuschen wurde als Feature in dem virtuellen Areal hinterlegt.

Als Bemerkenswert ist jedoch herauszustellen, dass die Lehrveranstaltung durch das Engagement der Studierenden erst ihre Qualität erfahren hat. So haben ehemalige Studierende der Universität Koblenz-Landau (Campus Landau) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) reale Projektfälle aus der Praxis eingebracht und im Vorfeld vorgestellt. Die aktuellen Studierenden bzw. Seminarteilnehmer haben sodann in acht Projektgruppen zu 4 – 5 Studierenden diese Projektfälle anhand von Kriterien analysiert und gemeinsam einen Bildungsplanungsvorschlag erarbeitet, welcher – wie oben erwähnt – in gather.town präsentiert wurde. Die acht Projektgruppen nutzten zur Bearbeitung das Tool conceptboard, welches ein kollaboratives Whitboard darstellt und ebenfalls digital-virtuell unter der jeweiligen Projektgruppe geteilt werden kann.

Und so trafen sich in der letzten Vorlesungswoche des Sommersemesters aktuelle Studierende und ehemalige Studierende, welche heute bei der dm drogerie-markt GmbH & Co. KG und der DB Netz AG als Weiterbildungsreferenten/Weiterbildungsreferentinnen tätig sind, um gemeinsam zu lernen. Der virtuelle Seminarraum bleibt nun noch vier Wochen über den Zugang geöffnet, da die Studierenden noch ein Peer-Review-Verfahren erstellen bzw. ein Feedback an eine andere Projektgruppe erteilen müssen. Im realen Leben würde der Seminarraum am Abend durch den Hausmeister abgeschlossen werden… hier kann man eintreten, wann man will und von wo man will und sich bspw. zu einer bestimmten Zeit, zum Gespräch mit jemand anderem verabreden…

Das Tool bietet sicherlich vielfältige (didaktische) Einsatzmöglichkeiten im Kontext von Schule, betrieblicher Weiterbildung & Personalentwicklung (bspw. bei einem Barcamp oder World-Café), aber auch in der Vereins- und insb. Jugendarbeit. Als erstrebenswert würde sich mithin eine empirische Evaluation des Learning-Outcomes erweisen, in dem mit einem Kontrollgruppendesign (präsenz/digital) gearbeitet werden würde. Festzuhalten bleibt aber immer, dass bspw. die regulär vorgesehene Exkursion zur bspw. Instandhaltung der DB Netz AG und die teilnehmende Beobachtung zur Erfassung der in Rede stehenden beruflichen Handlungskompetenzen nur in bzw. über ein Präsenzformat adäquat leistbar ist.

Vielen Dank an die dm drogerie-markt GmbH & Co. KG und der DB Netz AG für ihr Engagement im Rahmen des Sommersemesters 2021 in Karlsruhe!

https://www.meetingland.de/blog/gather-town/3-gruende-gegen-gather-town/